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Effektives Energiemanagement: Warum Zeitmanagement allein dich nicht weiterbringt

Ohje, so ein langer Blogpost - dafür habe ich doch keine Zeit… oder?

Der Satz “Dafür habe ich keine Zeit!” kommt uns meist schnell über die Lippen, wenn etwas unerwartetes, wie beispielsweise ein langer E-Mail-Newsletter, bei uns reinkommt. Aber stimmt das wirklich? Wir Menschen haben, im Gegensatz zu unserem Bankkonto, alle dasselbe Zeitkonto. Wir alle haben 24 Stunden pro Tag zur Verfügung. Das klingt doch erstmal fair. Unsere Zeitressourcen sind gleich verteilt. Wie kommt es dann, dass manche Menschen scheinbar die Tätigkeiten von 2 Tagen in einen Tag packen, während andere Menschen ihre Tage mit einem Bruchteil davon vollständig ausfüllen?


iPhone Bildschirmzeit
Tracks du auch verzweifelt deine Bildschirmzeit auf der Suche nach Optimierung?

Privilegien-Check

Bevor wir darüber sprechen, dass die eigenen Prioritäten und auch die individuellen Belastungsgrenzen eine große Rolle spielen, schauen wir uns mal das Thema Privilegien an. Denn dass wir alle 24h Zeit zur freien Verfügung haben, stimmt so natürlich nicht. So hat eine Studentin, die jobben muss, um sich ihr Studium zu finanzieren und vielleicht auch noch ihr kleines Kind daheim hat, natürlich andere Ausgangsvoraussetzungen als der kinderlose Student aus reichem Elternhaus. Es wäre alles andere als emphatisch, wenn man gegenüber der Studentin argumentieren würde, sie solle doch einfach ihre Prioritäten ändern und schon hätte sie dieselben Möglichkeiten, ihre Zeit einzusetzen, wie eine Person, der schon durch die elterliche Unterstützung einiges an Verantwortung (und damit gebundener Zeitressourcen) abgenommen wird. Also egal, wie fair die Zeit an sich auf uns Menschen verteilt ist, bei manchen Menschen ist mehr Zeit durch ihre Ausgangssituation gebunden, als bei anderen. An der Stelle kommt oft das Argument, die mittellose Studentin hätte sich doch für diese Situation (Studium, Job und Kind) entschieden und könnte doch theoretisch jederzeit alles hinter sich lassen. Es wäre also doch eine Frage der Prioritäten. Aber hier kommt eben wieder die oben angesprochene Empathie zum Tragen. Ausgangssituationen sind unterschiedlich und Privilegien sollten nicht ignoriert werden. Ja, wir können alle unser Schicksal bis zu einem gewissen Grad selbst in die Hand nehmen, allerdings innerhalb des Rahmens, der uns durch die Geburtslotterie zuteil wurde.


Eine Frage der Belastungsgrenzen

Selbst wenn wir zwei Personen mit ähnlichen Ausgangsvoraussetzungen ansehen, fällt oftmals auf, dass eine Person auf wundersame Weise pro Tag einfach viel mehr geschafft bekommt, als eine andere und das vielleicht sogar mit Leichtigkeit. Als die „andere” Person kommen hier häufig schreckliche Selbstvorwürfe auf. Ich kann mich selbst daran erinnern, dass ich mich früher ständig dafür verurteilt habe, nicht belastungsfähiger zu sein, wenn ich 4fach-Mütter beobachtet haben, die arbeiten, den Haushalt schmeißen und ihren Hobbys nachgehen. Doch diese Selbstvorwürfe haben mich auch nicht belastungsfähiger gemacht. Wirklich geholfen hat mir die Frage, warum ich denn das Bedürfnis verspürte, mich mit dieser Person zu vergleichen. Und ob es ein fairer Vergleich ist. Vielleicht schafft sie viel mehr an einem Tag und lächelt dabei auch noch geflissentlich, steht aber in Wirklichkeit kurz vorm Burnout. Vielleicht sind das auch gar keine echten Hobbys, sondern auch wieder irgendwelche gesellschaftlichen Verpflichtungen. Vielleicht hat sie aber auch einfach eine andere Grundkostitution als ich. Wie auch immer, solche Vergleiche führen zu nichts gutem. Auch geholfen hat mir die Frage, warum es mir anscheinend so wichtig ist, möglichst viele Aufgaben pro Tag zu schaffen. Hat das vielleicht etwas damit zu tun, dass ich mich nur als wertvollen Menschen fühle, wenn ich besonders leistungsfähig bin? Und bin ich nicht eigentlich immer wertvoll, einfach weil ich existiere?

Fangen wir doch mal damit an, es einfach als gegeben anzunehmen, dass Menschen unterschiedlich belastbar sind. Genauso wie Menschen unterschiedlich groß sind oder unterschiedliche Augenfarben haben. Auch da bringen Vergleiche uns nicht weiter.


Eine Frage der Prioritäten

Die für mich wertvollste Frage war aber diese: Womit möchte ich eigentlich meine Zeit verbringen? Ich habe keine Kinder. Aus unterschiedlichen Gründen. Einer davon ist, dass ich nicht einen Großteil meiner Lebenszeit mit Kinderkrankheiten, Hausübungen oder am Fußballplatz verbringen will. Das passt nicht zu meinem Verständnis von einem glücklichen Leben. Eine Person, die sich für Kinder entschieden hat, wird jetzt vielleicht sagen, für sie sei es das schönste Gefühl der Welt, ihr Kind im Arm zu halten oder es aufwachsen zu sehen und allerhand Abenteuer gemeinsam zu erleben. Dafür nehme sie die Kinderkranken und Hausübungen gerne in Kauf. Hier gibt es kein richtig und falsch. Jedenfalls finde ich es wichtig, sich diese Frage (womit möchte ich meine Zeit verbringen) zu stellen, bevor man sich für oder gegen Kinder entscheidet. Es geht immerhin um eine lebenslange Entscheidung. Aber auch im Kleinen zeigt sich die Tragweite dieser Frage. Wenn ich tagtäglich möglichst viele To-Do’s von meiner Liste abarbeite, um mir dadurch am Abend das Gefühl, wertvoll zu sein zu erlauben, kann ich mir mal die Frage stellen: Ist es das wert? Ganz im Alltagsstress versunken, merken wir oft nicht, wie beim Abarbeiten von Tasks unser Leben verstreicht. Es fühlt sich an wie ein stressiger Tag oder eine stressige Woche. Was aber wenn der Zustand des tagtäglichen gestressten Abarbeitens, mit ein paar Urlaubs-Unterbrechungen, schon Jahre vorherrscht?


Sebastian trinkt ein Glas Wein am Hometrainer
Multitasking löst nicht deine Zeitprobleme

Ich frage dich also ganz direkt: Womit möchtest du deine Lebenszeit verbringen?


Natürlich gibt es Aufgaben, denen wir nicht (oder nur sehr schwierig) entkommen können. Die Buchhaltung ist für viele Selbstständige eine besonders unliebsame davon. Doch selbst da haben wir Gestaltungsspielraum. Ein:e Steuerberater:in bringt schon mal Entlastung rein. Und wir können uns das Rechnungen sortieren auch so angenehm wie möglich gestalten. Wenn wir schon etwas tun „müssen“ (unter Anführungszeichen, denn ja, wir haben uns für die Selbstständigkeit entschieden), dann können wir es uns ja so angenehm wie möglich machen. Mit schöner Musik und einem guten Getränk zum Beispiel. Wir könnten uns auch den restlichen Tag freihalten, um eine feine Aktivität als Ausgleich einzuplanen. Das klingt dann für mich schon eher nach dem Leben, das ich führen möchte, als die Vorstellung, gestresst und untergehend in 1000 anderen Aufgaben, jammernd und schnaufend diese Buchhaltung zu erledigen. Und vielleicht noch vorher und nachher viel Zeit damit zu verschwenden, uns bei all unseren Freund:innen oder der Familie darüber zu beschweren, dass wir doch eigentlich längst die Buchhaltung machen sollten, wir aber einfach keine Zeit dafür haben.


Sich Zeit nehmen - ein Schritt in die Selbstbestimmung

Es gibt nun aber diese 1000 Aufgaben, denkst du jetzt. Selbst wenn meine Prioritäten wo anders liegen, verschwinden die ja nicht einfach. Das stimmt. Sie verschwinden nämlich nur, wenn du sie streichst. Hier dürfen wir alle sicher noch viel großzügiger werden. Oftmals arbeiten wir roboterhaft unsere Listen ab und wundern uns, dass sie einfach nicht kürzer werden. Ständig tauchen da neue Aufgaben auf. Kleiner Spoiler: To-Do-Listen werden niemals wirklich kürzer. Es sei denn, wir fangen an zu streichen oder zumindest zu delegieren.

Eine andere Möglichkeit, Zeit frei zu bekommen ist, einen anderen Fokus zu wählen. Ich habe vor ein paar Jahren beschlossen, dass Selbstfürsorge für mich auf der Prioritäten-Liste ganz oben steht, ein zentraler Aspekt von effektivem Energiemanagement. Und ganz oben bedeutet, ich schau morgens nicht mal in die Mails oder Tasks, bevor ich mich nicht gut um meinen Körper, Geist und meine Psyche gekümmert habe. Das ist eine sehr wesentliche Entscheidung, die ich einmal getroffen habe und die mein Leben grundlegend verändert hat. So komme ich von einem reaktiven in einen proaktiven Modus und was sich hintenraus nicht aus geht, geht sich eben nicht aus, fertig. Es geht sich sowieso nie alles aus. Aber so bin ich zumindest in meiner Mitte und meiner Kraft, fühle mich wohl und bin damit natürlich auch viel produktiver.

Kleiner Hack noch am Rande: Manche Dinge erledigen sich einfach von selbst. Ich habe in meinem Anstellungsverhältnis irgendwann mal gelernt, dass E-Mails oft besser ein bisschen liegen bleiben. Wenn ich sie sofort beantworte, kommt vermutlich direkt eine weiter Mail zurück und ich bin wieder im Reaktionsmodus. Lasse ich sie erstmal liegen, löst die Person das Problem vielleicht bereits auf eigenem Weg. Diese Strategie kann sehr viel Zeit sparen. Unterstützen kann hier auch das Ausschalten all dieser Push-Benachrichtigungen, die zu einer sofortigen Reaktion verleiten.


Zeitinvest in Körper und Ernährung

Wie viel Zeit verbringst du eigentlich damit, über deinen Körper oder dein Essen nachzudenken bzw. diesbezüglich etwas zu optimieren? Glaub mir, da kann einiges zusammenkommen. Ich erinnere mich noch gut an Diätzeiten, als ein ganzer Tag am Wochenende für Essensplanung, Einkaufen und Meal Prep drauf gegangen ist. Das kann ich mir heute nicht mehr vorstellen. Dazu kam ja dann auch noch ganz viel Gedankenkreisen bei jeder Mahlzeit, wie sich diese wohl nun auf meine Figur auswirken würde.

Manche Menschen stecken auch sehr viel Zeit in Schönheitsarbeit: Sie kaufen ständig neue Kleidung, besuchen Kosmetik, Pediküre, Maniküre, Waxing-Studius, Friseur-Salons, lassen sich Wimpern aufkleben, ihre Haut tätowieren, ihre Zähne bleichen. Versteh mich nicht falsch, da ist prinzipiell gar nichts falsch daran und einiges davon mache ich auch selbst (sehr gerne!). Schönheitsarbeit kann Selbstfürsorge sein. Wenn sie in dem Ausmaß passiert, das jemand bewusst für sich gewählt hat und wenn sie nicht mit Druck von außen verbunden ist. Das ist natürlich nicht immer so leicht zu trennen. Ich rasiere meine Beine. Wenn du mich fragst, warum ich das tue, antworte ich, weil mir das an mir gefällt. Gleichzeitig bin ich mir dessen bewusst, dass das kein Zufall ist. Ich bin in einer Zeit aufgewachsen, als sich die Frauen in der Rasiererwerbung ihre glatten (!) Beine rasiert haben, weil man behaarte Frauenbeine der Zuseher:innen-schaft einfach nicht zumuten „konnte”. Der gesellschaftliche Schönheitsdruck der (vor allem) auf weiblich gelesenen Personen lastet, ist allgegenwertig, auch wenn wir uns gesellschaftlich ganz langsam ein wenig in Richtung Diversität bewegen.

Ich will dir also weder raten, auf deine Schönheitsrituale zu verzichten, um Zeit freizuschaufeln, noch, diese in Form der Selbstfürsorge stärker in dein Leben zu holen. Ich möchte dir raten, zu hinterfragen, ob die Zeit für dich sinnvoll investiert ist. In welchen Bereichen möchtest du eigentlich mehr machen und in welchen weniger? Schau da mal drauf und probier dich aus. Vielleicht lass ich meine Beinhaare auch mal stehen und schau, was das mit mir macht. Ich frag mich nämlich schon, ob dieses ständige Rasieren wirklich gut investierte Zeit ist. Meine Nagelstudio-Termine werden aber definitiv bleiben. Die fallen für mich in die Kategorie Selbstfürsorge. Das schaut halt für jeden Menschen anders aus und darf sich auch über die Zeit verändern.


Effektives Energiemanagement statt Zeitmanagement

Jetzt hab ich hier so viel von Zeitressourcen und Prioritäten gesprochen, dass man meinen könnte, ich wäre eine Zeitmanagement-Expertin. In Wahrheit halte ich aber viel mehr von Energie- als von Zeitmanagement. Beim Zeitmanagement schwingt immer auch mit, dass wir möglichst effizient sein wollen, möglichst viel geschafft bekommen wollen. Aber geht’s wirklich darum?

Mir persönlich ist mittlerweile viel wichtiger, dass ich in einer guten Energie-Balance leben. Ich schau mir daher auch viel lieber mein Energiemanagement an. Etwa stell ich mir die Frage, welche Tätigkeiten mir eigentlich Energie geben und welche mir Energie entziehen. An manchen Tagen bin ich nach einem arbeitsreichen Vormittag schon erschöpft und brauche eine ausgedehnte Pause, bevor ich mich wieder vor den Computer setze. Ich verurteile mich dann nicht, sondern schaue zurück und überleg mir, warum mich die Tätigkeit so viel Energie gekostet hat. Das kann unterschiedliche Gründe haben. Vielleicht habe ich etwas zum ersten Mal gemacht. Vielleicht war ich außerhalb meiner Komfort-Zone unterwegs. Vielleicht hab ich aber auch einfach schlecht geschlafen und habe also den Tag nicht mit vollen Akkus begonnen. Ich bin dann mitfühlend mit mir selbst und frage mich, was mich nun in dieser Situation wieder mit Energie versorgen kann. Dafür habe ich mir mal eine Energiebringer-Liste geschrieben. Da stehen so Sachen drauf wie Yoga, ein Brettspiel spielen, Musik hören, einen Spaziergang machen. Keine großen Überraschungen. Dennoch ist die Liste wichtig für mich. Denn in Momenten der Erschöpfung oder Überforderung fallen uns die Energiebringer meist einfach nicht ein. Uns fällt dann nur ein, entweder weiter zu arbeiten oder uns mit einem Seufzer auf die Couch zu legen. Gerade die Couch macht für mich in solchen Situationen aber meist wenig Sinn. Wenn ich von meiner Schreibtischarbeit erschöpft bin, ist mein Geist erschöpft und nicht mein Körper. Das verwechselt man leicht. In so einem Fall ist ein Spaziergang für mich viel wohltuender, denn während der Kopf von der Arbeit überfordert ist, ist der Körper vom Sitzen unterfordert. Ein Spaziergang in der Natur gleicht das wunderbar aus.

Ich möchte auch dich motivieren, deine Energieressourcen im Blick zu haben und dir eine Energiebringer-Liste zu schreiben. Auch hier geht es wieder um Selbstbestimmung und Selbstwirksamkeit. Ja, wir haben alle unterschiedliche Voraussetzungen und Privilegien. Aber wir alle können in unserem individuellen Rahmen unser Leben gestalten.

Sebastian im Fitnesstudio bei der Kräftigung
Keine Energie mehr für Sport? Verwende deine Energie dafür zuerst, wenn es wirklich deinen Werten entspricht

Schön, dass du dir die Zeit genommen hast, diesen Beitrag bis zum Ende zu lesen. Mir gefallen deine Prioritäten und dein effektives Energiemanagement.

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